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© Grisons Office for Forest and Natural Hazards
Wälder bieten natürlichen Schutz vor Steinschlägen, Erdrutschen und Lawinen. Die in der Schweiz angewandte Protect Bio-Methode erlaubte es, die Auswirkungen des Waldes und anderer naturbasierter Maßnahmen in Gefahrenschutzprojekten zu berücksichtigen und Kosten für technische Schutzstrukturen zu sparen.
Wälder können einen wirksamen Schutz vor Steinschlägen, Erdrutschen und Lawinen bieten; Ihre Bewahrung und ordnungsgemäße Verwaltung kann diese Dienste und Funktionen aufrechterhalten, die auch im Hinblick auf die Anpassung an aktuelle Extremereignisse und zukünftige Klimaveränderungen von Bedeutung sind. Die Protect Bio Methode ermöglicht die Bewertung dieser Ökosystemleistungen. Mit der Methode soll bewertet werden, ob technische Schutzmaßnahmen (und teure) (d. h. technische Strukturen) in Wäldern umgesetzt werden müssen, um Schutz vor Steinschlägen zu bieten, oder ob Wälder Schäden, die durch diese Ereignisse verursacht werden, auf natürliche Weise verhindern können.
Die Methode wurde erstmals in einem Schutzwald (d. h. Wälder, die für Schutzfunktionen erhalten werden) auf der Fuornpassstraße im Engadin in der Schweiz in die Praxis umgesetzt. Die Protect Bio-Methode ermöglichte es, die Waldschutzfunktion als wirksame Anpassungsmaßnahme an die für Bergregionen typischen Naturgefahren zu fördern.
Beschreibung der Fallstudie
Herausforderungen
Wälder sind besonders anfällig für Extremereignisse. Verglichen mit den langsamen Prozessen im Wald (Wachstum, Saatgutverteilung, genetische Anpassungsfähigkeit usw.) droht der Klimawandel mit einer Geschwindigkeit, die natürliche Anpassungsprozesse überfordert. Wichtige forstwirtschaftliche Produkte und Dienstleistungen wie der Schutz vor Naturgefahren könnten durch den Klimawandel reduziert werden oder verschwinden. Die alpinen Waldökosysteme sind bereits von zahlreichen klimabedingten Auswirkungen betroffen, z. B. höherer Baumsterblichkeit, mehr Schädlingsartenkatastrophen, höherem Wasserstress und höherer Waldbrandhäufigkeit, wodurch die Rolle der Wälder zum Schutz vor Steinschlägen, Erdrutschen und Lawinen verringert wird. So wurden beispielsweise größere Ausbrüche von Borkenkäfern in Schutzwäldern in der Schweiz beobachtet, die sich aus dem Lothar-Wintersturm 1999 und dem trockenen Sommer 2003 ergaben. Solche Ausbrüche hatte es in dieser Höhe noch nie gegeben.
Wie im Bericht der EUA mit dem Titel „Climatechange, impacts and vulnerability in Europe“ (Klimawandel, Auswirkungen und Anfälligkeit in Europa)dargelegt, sind die wichtigsten klimatischen Faktoren, die die Alpenwälder beeinflussen,: (i) einen Temperaturanstieg, der über dem globalen Durchschnitt liegt; Vom späten 19.Jahrhundert bis zum Ende des 20.Jahrhunderts verzeichnete der Alpenraum einen jährlichen mittleren Temperaturanstieg von etwa 2 °C, fast doppelt so hoch wie der Durchschnitt der nördlichen Hemisphäre, (ii) einen beobachteten Anstieg der jährlichen Niederschläge im Nordwesten und einen Rückgang im Südosten der Alpen, (iii) eine ausgeprägte Variabilität der Niederschlagsmuster (d. h. einen Rückgang der saisonalen Niederschläge im Sommer und einen Anstieg der Niederschläge im Winter im Nordwesten) sowie eine Änderung der Intensität extremer Wetterereignisse.
Für den größten Teil der Alpen wird eine allgemeine Verschiebung der Niederschlagsspitzen von Sommer zu Winter prognostiziert, während der Süden und Südosten zu allen Jahreszeiten deutlich trockener werden. Darüber hinaus wird eine Zunahme der Intensität und Häufigkeit extremer Wetterereignisse (schwere Regenfälle, Dürreperioden, Hitzewellen und möglicherweise auch Stürme) im gesamten Alpenraum erwartet, was dazu führt, dass das hydrologische System der Wälder empfindlicher auf extreme Wetterereignisse reagiert.
Abgesehen von klimabedingten Gefahren wie Gravitationsmassenbewegungen (z. B. Trümmerströme und Erdrutsche), sintflutartigen Prozessen und Überschwemmungen sind Alpenwälder zudem sehr anfällig für damit verbundene Klimaeffekte wie erhöhte Bodenerosion, Permafrostdegradation und Destabilisierung von Berghängen. Extreme Ereignisse wie starke Niederschläge und Stürme könnten dann ein erhöhtes Risiko für Felsstürze und Erdrutsche in einem so geschädigten Boden und mit Wald unter Stressbedingungen bestimmen. Dadurch werden die für die Besiedlung geeigneten Gebiete verringert, der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Formen der Landnutzung verstärkt und Infrastrukturen für Verkehr und Energieverteilung unmittelbar beeinträchtigt. Die Gefahr eines Steinschlags – von Kiesstücken bis hin zu faustgroßen Felsen, die in ein Autodach eindringen können – erfordert auch eine regelmäßige Räumung der Fahrbahn. Markierungen auf dem Asphalt und reparierte Bereiche zeugen auch von solchen Ereignissen. In der Fuornpassstraße im Engadin in der Schweiz erstreckt sich das potenzielle Einweihungsgebiet in den massiven rissigen Felswänden über der Passstraße von rund 600 m bis 2.100 m ü.d.M. Die Steigung in diesem Bereich übersteigt teilweise 45 Grad.
Anpassungsmaßnahmen sollten bestehende Risiken verringern, die Anpassungsfähigkeit durch sorgfältig geplante Regenerierung der Waldarten erhöhen und künftige Risiken verringern. Zu den identifizierten Handlungsfeldern gehört der kritische Schutz von Wäldern mit Schutzfunktion, bei dem eine Kombination aus unzureichender Regeneration (d. h. der Klimawandel tritt mit einer Geschwindigkeit auf, die die natürlichen Anpassungsprozesse im Vergleich zu den langsamen Prozessen im Wald wie Pflanzenwachstum, Saatgutverteilung, genetische Anpassungsfähigkeit usw. überfordert) und verminderter Stabilität besteht.
Politischer Kontext der Anpassungsmaßnahme
Case partially developed, implemented and funded as a climate change adaptation measure.
Ziele der Anpassungsmaßnahme
Wälder bieten einen effektiveren Schutz vor Naturgefahren, als selbst Experten auf diesem Gebiet bisher glaubten. Der Erhalt von Wäldern ist wesentlich billiger als der Bau kostspieliger technischer Strukturen. Aber kann der Wald ein ähnliches Sicherheitsniveau wie bauliche Maßnahmen gewährleisten? Die Protect Bio Methode ermöglicht die Bewertung dieses naturbasierten Schutzdienstes. Im Rahmen dieses Projektes wurde eine Methode entwickelt, die es ermöglicht, die Wirkung des Waldes und anderer biologischer Schutzmaßnahmen zu bestimmen und in Gefahrenschutzprojekten genau zu berücksichtigen. Ziel dieser Methode ist es, die Waldschutzfunktionen gegen Naturgefahren oder die Notwendigkeit technischer Schutzmaßnahmen (z.B. Barrieren oder Netze) zur Vermeidung von Steinschlagschäden zu bewerten. Die Methode wurde erstmals in der Praxis auf der Fuornpassstraße angewendet, die Zernez im Engadin mit dem Val Müstair verbindet.
In diesem Fall implementierte Anpassungsoptionen
Lösungen
Die Fuornpassstraße bei Zernez im Engadin (Schweiz) ist eine etwa 800 Meter lange Straße. Das Steinschlagrisiko in diesem Bereich wurde mit Hilfe der Protect Bio Methode analysiert. Gesteinsfälle, die in der Vergangenheit registriert wurden, Karten vergangener Ereignisse und Szenarien, die aus den strukturellen geologischen Beobachtungen abgeleitet wurden, ermöglichen die Beschreibung des Gesteinsfallrisikos: Die Analyse zeigt, in welchen Bereichen Steinschlag zu erwarten ist und wie häufig solche Ereignisse auftreten können. Ein mathematisches Modell wurde auch verwendet, um die Folgen der Steinschlagereignisse zu simulieren. Anhand eines dreidimensionalen Geländemodells berechnet der Computer die Steinschlagspur und die Kräfte, die durch unterschiedliche Gesteins- und Felsbrockengrößen freigesetzt werden.
Die Protect Bio-Methode ermöglicht es auch, bei der Risikobewertung die Rolle biologischer Schutzmaßnahmen von Wäldern gegen Naturgefahren (Felsstürze, Erdrutsche, Lawinen usw.) zu berücksichtigen. Das Geländegefälle, die Stammdichte und andere Faktoren fließen in die Simulation zur Bestimmung der Schutzkapazität des Waldes ein.
Bei der Fuornpassstraße bei Zernez ergaben die Ergebnisse, dass auf rund der Hälfte des betroffenen Straßenabschnitts keine Steinschlagnetze benötigt werden. In diesem Teil reicht die Schutzfunktion bestehender Wälder aus, um den Schutz vor Ereignissen mit einer Rückgabefrist von weniger als 1 bis 30 Jahren zu gewährleisten. Als kostengünstige Ergänzungsmaßnahme können gefällte Bäume quer zum Hang angeordnet werden. Technische und teurere Maßnahmen (wie Netze) werden nur in Abschnitten der Straße benötigt, in denen der Wald dünn ist.
Auf der Grundlage früherer Bewertungen – bei denen die nicht ausreichend quantifizierbare Wirkung des Schutzwaldes als natürliches Hindernis häufig außer Acht gelassen wurde – hätten Steinschlagnetze oder andere Schutzbarrieren entlang des größten Teils des betreffenden Straßenabschnitts errichtet werden müssen. Mit der Protect Bio Methode wurde die Waldschutzfunktion als Anpassungsmaßnahme auf Basis einer genauen Risikobewertung und Kosten-Nutzen-Analyse evaluiert und gefördert. Die Anwendung dieser Methode ermöglichte es somit, Millionen von Euro an technischen Schutzstrukturen einzusparen, die als nicht notwendig bewertet wurden.
Zusätzliche Details
Beteiligung der Stakeholder
An dem Projekt „Wirksamkeit biologischer Schutzmaßnahmen“ (auch Protect Bio genannt) waren folgende Partner beteiligt:
- BAFU - Bundesamt für Umwelt: Erdrutsche, Lawinen und Schutzwaldabschnitt;
- Kanton Graubünden: Amt für Wälder und Naturgefahren; Amt für Bauingenieurwesen;
- Gemeinde Zernez: Forstdienst.
Erfolgsfaktoren und limitierende Faktoren
Die entwickelte Methode umfasst verschiedene Werkzeuge und analytische Ansätze, die es ermöglichen, die Wirkung des Waldes und anderer biologischer Schutzmaßnahmen zu bestimmen und bei Gefahrenschutzprojekten genau zu berücksichtigen, wodurch Kosten im Zusammenhang mit der Umsetzung nicht notwendiger technischer Schutzstrukturen eingespart werden.
Die Rolle des Schutzes der Forstdienste vor Naturgefahren wie Lawinen, Erdrutschen und Trümmerströmen ist jedoch nur schwer einzuschätzen und zu quantifizieren; Daten sind nicht an allen Standorten verfügbar.
Kosten und Nutzen
Rund die Hälfte der Schweizer Waldfläche ist als Schutzwald klassifiziert. Schutzwälder wurden jahrzehntelang vernachlässigt, bis ein Ansatz auf der Grundlage der 1991 eingeführten revidierten Forstgesetzgebung die Kantone verpflichtete, für die Erhaltung der Schutzwälder zu sorgen. Schutzwald wurde definiert als „ein Wald, der einen erkannten potenziellen Schaden aufgrund einer bestehenden Naturgefahr verhindern oder die damit verbundenen Risiken verringern kann“. Seither haben Bundesbehörden, Kantone und Gemeinden jährlich rund 145 Millionen Euro für den Erhalt von Schutzwäldern bereitgestellt. Dies stellt eine gute Investition dar, da der wirtschaftliche Wert des Schutzwaldes, der mit der Risikominderung für Siedlungen und Verkehrswege zusammenhängt, auf 3,8 Mrd. EUR pro Jahr geschätzt wird.
Der konsequente Einsatz von Protect Bio in der ganzen Schweiz könnte Einsparungen in Millionenhöhe an technischen Schutzstrukturen ermöglichen; Dies erhöht den Wert des Schutzwaldes noch weiter.
Rechtliche Aspekte
Ein Meilenstein in der Nutzung natürlicher Ressourcen wurde im 19.Jahrhundert mit der Entscheidung erreicht, nachhaltige Bewirtschaftungspraktiken zum Schutz der Wälder einzuführen. Das Schweizer Forstrecht ist heute international anerkannt und regelt umfassend die verschiedenen Funktionen des Waldes sowohl für den Menschen als auch als Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Durch die Förderung einer natürlichen und nachhaltigen Waldbewirtschaftung wird auch sichergestellt, dass Holz, eine lokale natürliche Ressource, dauerhaft genutzt werden kann. Darüber hinaus befasst sich das Forstgesetz (ForA) mit der Schlüsselrolle der Wälder beim Schutz vor Naturgefahren. Das ForA verleiht dem Wald eine einzigartige Position in der Landnutzung: es schützt es sowohl in Bezug auf seine Verbreitung als auch seine räumliche Verteilung. Das wichtigste Instrument ist das allgemeine Verbot der Entwaldung. Neben dem Schutz des Waldes und seiner verschiedenen Funktionen hat das ForA auch das Ziel, den Wald naturgerecht zu bewirtschaften und die nachhaltige Nutzung von Holz als natürlicher Ressource zu fördern.
Überschwemmungen, Lawinen, Erdrutsche und Steinschläge treten in der Schweiz häufig auf und sind oft von erheblichem Ausmaß. Das Wasserbaugesetz (HEA) und das ForA regeln, wie der Schutz vor diesen Naturgefahren zu organisieren ist, der von den Kantonen gefordert wird. Beim Bau von Schutzbauten und der Erstellung von Naturgefahrenkarten können sie auf fachliche und finanzielle Unterstützung des Bundes zurückgreifen. Die verschiedenen Maßnahmen dienen dem Schutz von Menschen und wertvollem Eigentum. Der beste Weg, dies zu tun, ist, den Raum angemessen zu nutzen. Die Raumplanung muss sicherstellen, dass keine Gebäude oder Infrastrukturen in Gebieten errichtet werden, die anfällig für Naturgefahren sind. Schutzwälder gelten auch als Mittel, um den Schutz vor Lawinen, Steinschlägen und Erdrutschen zu verbessern.
Implementierungszeit
Protect Bio ist ein wegweisender Ansatz, der in der Schweiz entwickelt wurde. Neben der Fuornpassstraße wurde die Methode beispielsweise in Gruobenwald, Klosters und Orvin, Täsch, Schmitten umgesetzt. Es ist geplant, Protect Bio in den kommenden Jahren auch an anderen Standorten und insbesondere im Zusammenhang mit Lawinen, Steinschlag und Schlammströmen einzusetzen und seine Validierung zu verbessern.
Lebensdauer
Schutzwälder haben keine feste Lebensdauer. Schutzstrukturen und Schutzwälder müssen jederzeit gut gepflegt werden, damit sie ihre Schutzfunktion erfüllen und auch die Forstdienste erhalten können.
Referenzinformationen
Kontakt
Arthur Sandri
Head of the Landslides, Avalanches and Protection Forest Section
Federal Office for the Environment (FOEN)
Tel.: +41 (0)58 465 51 70
E-mail: arthur.sandri@bafu.admin.ch
Referenzen
Projekt ProtectBio
Veröffentlicht in Climate-ADAPT: Nov 22, 2022
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Fallstudiendokumente (1)
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