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Fallstudien

Stärkung kleiner ländlicher Gemeinden durch Multi-Level-Governance zur Anpassung in Nordrhein-Westfalen, Deutschland

Stärkung kleiner ländlicher Gemeinden durch Multi-Level-Governance zur Anpassung in Nordrhein-Westfalen, Deutschland

Ein Multi-Level-Governance-Ansatz zur Anpassung, Vermischung von Bottom-up- und Top-Down-Ansätzen, wurde in Nordrhein-Westfalen erfolgreich getestet, was die Umsetzung des Landesanpassungsgesetzes veranlasste und die ländlichen Regionen besser auf den Klimawandel vorbereitete.

Ziel des Projekts Evolving Regions (2019-2023) war es, Stakeholdern in sieben Landkreisen des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen (NRW) zu ermöglichen, die Auswirkungen des sich verändernden Klimas aktiv anzugehen. Ein Landkreis in NRW ist eine regionale Verwaltungseinheit. Die durchschnittliche Fläche der am Projekt beteiligten Landkreise betrug 1,270 km² mit einer Bevölkerungsdichte von durchschnittlich 276 Einwohnern/km2.

Dazu wurden themenübergreifende Dialogprozesse durchgeführt, die für die Zusammenarbeit verschiedenster Akteure aus Verwaltung, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft konzipiert sind. Ergänzt wurden diese durch detaillierte bezirksweite Klimafolgenanalysen und die Entwicklung leicht anwendbarer Überwachungssysteme. Mit Hilfe der Evolving Roadmapping-Methode wurde das komplexe und breite Feld der Klimaanpassung zugänglich gemacht und praktische Konzepte für die sieben Bezirke entwickelt. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf den besonderen Herausforderungen und Anforderungen kleiner Gemeinden in ländlichen Regionen und der Integration verschiedener Verwaltungsebenen in einen Multi-Level-Governance-Ansatz. Das Wissen über die Umsetzung von Klimaanpassungsprozessen nach der Evolving Roadmapping-Methode und die Erkenntnisse aus den Prozessen wurden über unterschiedliche Formate und Produkte an andere Regionen in NRW, in und in Europa und Akteure weitergegeben.

Die sich entwickelnden Regionen haben im Land Nordrhein-Westfalen einen wichtigen Beitrag zur Klimaanpassung geleistet. Das Projekt zeigte, dass die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Regierungsebenen (Land, Landkreise und Gemeinden) dazu beigetragen hat, Rahmenbedingungen für die Umsetzung des Landesanpassungsgesetzes in den Kleingemeinden zu schaffen.

Insbesondere stellte das Bundesministerium für Umwelt, Natur und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes NRW) Mittel und politische Unterstützung zur Verfügung, während die Landesinstitutionen wie das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) Umweltkenntnisse und Expertise zur Verfügung stellten.

Durch die Einbeziehung der sieben Bezirke (etwa ein Viertel des Bundesgebiets) wurde die Basis für eine aktive Klimaanpassung in 100 Gemeinden mit knapp 2,4 Millionen Einwohnern gelegt. Dies war einer der Gründe, warum der damalige Umweltminister des Landes das Projekt als „Flaggschiff für die Klimaanpassung in ländlichen Gebieten in Nordrhein-Westfalen“ bezeichnete.

Beschreibung der Fallstudien

Herausforderungen

Der Klimawandel ist im Gange und seine Auswirkungen sind bereits sichtbar. Die Zunahme der Häufigkeit und Intensität extremer Wetterereignisse erfolgt auch im Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) (Tholen et al., 2022):

  •  Extreme Hitzewellen brachen in den letzten Jahren mehrmals Temperaturrekorde. Die höchste jemals in Deutschland gemessene Temperatur (41,2 Grad Celsius) wurde im Sommer 2019 in NRW gemessen. 14 der 20 höchsten Jahresmitteltemperaturen liegen in den letzten 20 Jahren (DWD 2019; LANUV 2022a).
  • In den letzten Jahren haben lokale Starkregenereignisse zu Überschwemmungen in ganz NRW geführt. Gleichzeitig verschieben sich die Niederschlagsmengen im Laufe des Jahres. Während die Sommer trockener werden, nimmt der durchschnittliche Niederschlag im Winter zu (LANUV 2022b).
  • Aufgrund des globalen und lokalen Temperaturanstiegs in Verbindung mit einem veränderten Niederschlagsregime haben sich auch die Zahl und Intensität von Dürren und Trockenperioden in NRW erhöht. Die letzten Jahre gehörten zu den bisher trockensten (LANUV 2022c).

Da all diese Phänomene in Zukunft zunehmen werden, werden mehrere negative Auswirkungen auf die Gesellschaft erwartet. Hitzewellen verursachen Gesundheitsprobleme für Menschen, Wildtiere und Vieh und extreme Dürren haben in der Vergangenheit bereits zu Ernteausfällen und großflächigen Waldsterben geführt. Die Gefahren von Starkregenereignissen zeigten zuletzt die katastrophalen Überschwemmungen in Westdeutschland im Jahr 2021. Hitzewellen, Dürre und Überschwemmungen betreffen nicht nur Städte und Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte, sondern auch ländliche Gebiete, die eine aktive und dringende Anpassung erfordern. Öffentliche und private Akteure in kleineren Städten in ländlichen Regionen stehen jedoch vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die die Anpassung behindern können. Dies gilt auch für die Gemeinden der teilnehmenden Bezirke im Projekt Evolving Regions:

  • Die weiteren klimatischen Entwicklungen sowie ihre direkten und indirekten Folgen sind schwer vorherzusagen. Anpassungsmaßnahmen müssen daher immer unter einem gewissen Grad an Unsicherheit durchgeführt werden.
  • Vor allem kleineren Städten und Gemeinden in ländlichen Gebieten fehlt es häufig an ausreichenden personellen oder finanziellen Kapazitäten. Die Umsetzung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel ist jedoch häufig mit einem entsprechenden Ressourcenbedarf verbunden. Darüber hinaus müssen sich kleinere Städte und Gemeinden in ländlichen Regionen mit zusätzlichen Herausforderungen auseinandersetzen: anhaltende demografische und wirtschaftliche strukturelle Veränderungen (Alterung der Bevölkerung, Verlust von Arbeitsplätzen) sowie eingeschränkter Zugang zu Mobilität, Gesundheits- oder Versorgungsdienstleistungen, die durch das sich verändernde Klima weiter verschärft werden.
  • Als Herausforderung für die gesamte Gesellschaft erfordert die Anpassung an den Klimawandel die Zusammenarbeit aller relevanten Akteure über die Grenzen von Kommunen und thematischen Bereichen hinweg. In vielen Fällen entspricht dies jedoch nicht den etablierten Arbeits- und Koordinierungsformen, insbesondere in der öffentlichen Verwaltung, sondern auch darüber hinaus.
  • Darüber hinaus findet (bestmöglich) die Anpassung an den Klimawandel auf allen räumlichen und administrativen Ebenen statt; von der Bundesebene, über die einzelnen Bundesländer, über die Ebene der Bezirksregierungen, über die Gemeinden bis hin zu den Tätigkeiten einzelner Privatpersonen oder Unternehmen. Dies erfordert zum einen die Koordination individueller Ziele, Strategien und Maßnahmen. Es erfordert auch die Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten so, dass Maßnahmen so effektiv und effizient wie möglich umgesetzt werden können. Generell liegt die Herausforderung darin, das Thema Klimaanpassung in komplexe bestehende Multi-Level-Governance-Systeme zu integrieren.

Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, hat NRW als erstes Bundesland in Deutschland ein eigenes Klimaanpassungsgesetz erlassen, um eine aktive Anpassung an den Klimawandel zu fördern. Allerdings zeigen die Landesdaten, dass bisher nur 22 % der Gemeinden und 45 % der Bezirke ein Klimaanpassungskonzept entwickelt haben (LANUV, 2022).

Ziele

Über einen Zeitraum von vier Jahren unterstützte das LIFE-Projekt Evolving Regions unter der Leitung des Sozialforschungszentrums der TU Dortmund (sfs) sieben Landkreise im Bundesland NRW bei der aktiven Annäherung an die Anpassung an den Klimawandel.

Zu den Projektzielen gehörten:

  • Verbesserung der Widerstandsfähigkeit der teilnehmenden Bezirke gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels,
  • Integration und Berücksichtigung des Themas Klimaanpassung in kommunale und regionale Planungsprozesse und
  • Unterstützung regionaler Akteure beim Erwerb der notwendigen Kompetenzen, um die Aktivitäten zur Anpassung an den Klimawandel unabhängig über die Projektlebenszeit hinaus fortzusetzen.
Lösungen

Hauptbestandteil des Projekts war die Umsetzung integrierter kollaborativer Klimaanpassungsprozesse in den sieben teilnehmenden Landkreisen in NRW nach der Methode der Weiterentwicklung des Roadmappings.

Eine effektive Anpassung an den Klimawandel erfordert einen Rahmen für Interdisziplinarität, Zusammenarbeit, Koordination und Integration. Die Weiterentwicklung des Roadmappings berücksichtigt diesen Integrationsbedarf und bietet einen praktischen Handlungsrahmen für die Schritte des Anpassungsprozesses (Analyse, Planung, Umsetzung und Bewertung).

Die sich entwickelnde Roadmapping-Methode

Die Evolving Roadmapping-Methode umfasst die folgenden sechs Schritte, um sich der komplexen und langfristigen Aufgabe der Klimaanpassung zu nähern. Eine detailliertere Beschreibung finden Sie in den Projektleitlinien Evolving regions

  • Schritt 1: Festlegung des Rahmens und Festlegung der Ziele als Verpflichtung für den Prozess;
  • Schritt 2: Analyse der aktuellen Situation einschließlich einer detaillierten Analyse der relevanten Akteure, spezifischer regionaler Rahmenbedingungen und erwarteter klimatischer, räumlicher und sozialer Veränderungen  
  • Schritt 3: Entwicklung einer gemeinsamen Vision einer wünschenswerten Zukunft und Ermittlung des regionalen Handlungsbedarfs;
  • Schritt 4:  Entwicklung allgemeiner Strategien und Erstellung eines Maßnahmenkatalogs, der auf die Ermittlung des Handlungsbedarfs zugeschnitten ist. Die Arbeit wurde in verschiedene „sektorübergreifende Themenfelder“ aufgeteilt, um mit einem bereichsübergreifenden Ansatz arbeiten zu können. Beispielsweise umfasst der thematische Bereich „Landschaft unter dem Klimawandel“ die Sektoren Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz und Erholung;
  • Schritt 5: Erstellung des Fahrplans als vereinbartes, praktisches und flexibles Arbeitsdokument für die künftige Nutzung der Klimaanpassung durch alle lokalen/regionalen Akteure;
  • Schritt 6: Monitoring zur Bewertung der Umsetzung und zur Ermöglichung eines zukunftsorientierten Entwicklungsprozesses.

 

Die praktische Anwendung von Evolving Roadmapping

Die Roadmapping-Methode wurde in den Bezirken durch die Organisation einer Reihe von Workshops über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren angewendet.

Basierend auf einer Stakeholder-Analyse wurden für jeden Bezirk die relevantesten Akteure, Institutionen und Organisationen für die Klimaanpassung ermittelt und zu den Workshops eingeladen. Insgesamt waren mehr als 600 Menschen aktiv am Projekt beteiligt (ca. 90 pro Region).

 

Produkte und Auswirkungen von Evolving Roadmapping

In jedem Bezirk wurde ein individuell integrierter Fahrplan für die Klimaanpassung entwickelt, der Folgendes umfasst:

  • eine Vision, Leitprinzipien oder Ziele für die Anpassung an den Klimawandel,
  • ein Überblick über die Auswirkungen des Klimawandels, der das Zusammenspiel von Klimaauswirkungen und räumlichen oder sozialen Empfindlichkeiten veranschaulicht. Eine detaillierte kreisweite Klimafolgenanalyse wurde vom Institut für Raumplanung der Universität Dortmund (IRPUD) zur Verfügung gestellt, die auf öffentlich zugänglichen Daten des LANUV basierte.
  • die gemeinsam entwickelten Maßnahmen, einschließlich Verfahrensschritten, Verantwortlichkeiten und Informationen über mögliche Treiber und Hindernisse,
  • Informationen zur Bewertung der Auswirkungen und zur Überwachung
  • weiterer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine aktive Anpassung an die Folgen des Klimawandels.

Ein Beispiel für eine solche Roadmap für einen Bezirk finden Sie hier.

Die Projektmittel ermöglichten es den Bezirken, für die Dauer des Projekts eine personelle Position zur Koordinierung der Klimaanpassung (sogenannter „regionaler Förderer“) festzulegen. Die Positionen der Förderer liegen hauptsächlich in der Verwaltung der Bezirke, vor allem in den Bereichen Umweltplanung oder Klimaschutz. Die Projektträger waren Teil einer neu eingerichteten Personalstruktur, die den Prozess begleitet und an die verschiedenen regionalen Governance-Rahmen angepasst ist.

Darüber hinaus wurden regionale Experten aus allen sieben Distrikten in einem Kernteam zusammengebracht. Aufgabe dieses Kernteams war es, den Prozess zu unterstützen und die Ergebnisse in ihren jeweiligen Fach- und Arbeitsbereichen zu vervielfachen. Um die Öffentlichkeit über den Ablauf und die Inhalte der Prozesse zu informieren, wurden die regionalen Förderer von Medienexperten des ZDF Digital, einem vom Bund geförderten öffentlich-rechtlichen Rundfunkunternehmen, in der Nutzung verschiedener Social-Media-Plattformen und bei der Erstellung von Videos geschult. Eine große Anzahl grüner, grauer und weicher Anpassungsmaßnahmen in verschiedenen thematischen Bereichen wurde gesammelt, in den regionalen Prozessen diskutiert und an die sozioökonomischen und klimatischen Bedingungen der Region angepasst. Zu diesen Maßnahmen gehören: Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Entscheidungsträger, Umsetzung struktureller und technischer Maßnahmen, angepasste Planung/Bau/Landwirtschaft sowie finanzielle Unterstützung/Förderprogramme.

Einen detaillierten aktuellen räumlichen Überblick über den Umfang von Anpassungskonzepten auf Gemeinde- und Bezirksebene bietet der Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) im Interaktiven Klimaatlas Nordrhein-Westfalen. Die Karten werden regelmäßig aktualisiert, wobei alle Fortschritte erfasst werden, die auch die potenziellen künftigen Auswirkungen des Projekts „Entwicklungsregionen“ widerspiegeln.

Relevanz

Fallbeispiel als Maßnahme zur Anpassung an den Klimawandel entwickelt und umgesetzt.

Zusätzliche Details

Stakeholderbeteiligung

Die zentrale Idee der Weiterentwicklung der Roadmapping-Methode ist die Zusammenarbeit verschiedener gesellschaftlicher Akteure bei der gemeinsamen Entwicklung von Strategien, Zielen und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Maßnahmen werden nicht nur von externen Beratern vorgeschlagen, sondern gemeinsam von den regionalen Akteuren entwickelt. Dieser Bottom-up-Ansatz bezieht die relevanten Personen direkt in die Ausarbeitung von Strategien und Maßnahmen ein. Dieser Ansatz stellt sicher, dass generische Maßnahmen genau an regionale Bedürfnisse und Governance-Rahmen angepasst werden können. Es erhöht auch die Eigenverantwortung und die Chancen der Umsetzung, da die beteiligten Akteure von Anfang an am Tisch sind. Dieser Ansatz erfordert jedoch eine angemessene und frühzeitige Kartierung der Interessenträger. In den Workshops wurde besonderes Augenmerk auf die Zusammenarbeit „auf Augenhöhe“ gelegt. Alle Meinungen und Ideen wurden offen diskutiert, unabhängig von der gesellschaftlichen Position der jeweiligen Teilnehmer. Da während der COVID-19-Pandemie ein großer Teil der regionalen Prozesse stattfand, fanden fast alle Veranstaltungen online statt. Diese Formate wurden von den Teilnehmern überwiegend positiv bewertet.

Die Prozesse wurden vom Sozialforschungszentrum der TU Dortmund und dem Deutschen Institut für Urbanistik (difu) organisiert und moderiert, begleitet von einer Vielzahl von Unterstützungsleistungen von Projektpartnern wie dem (nationalen) Deutschen Wetterdienst zur Sensibilisierung und der Prognos AG zur Überwachung des Projektfortschritts.

Die praktische Umsetzung des Roadmapping-Ansatzes umfasste die Beteiligung von Interessenträgern aus verschiedenen sektoralen Arbeitsbereichen und verschiedenen politischen Entscheidungsgremien und Verwaltungsebenen. Dazu gehörten z. B.:

  • Bezirksverwaltungen (z. B. Abteilungen für Regionalentwicklung, Wasserwirtschaft, Katastrophenschutz oder Naturschutz),
  • Städte und Gemeinden (einschließlich Abteilungen für Stadt- und Raumplanung, Unternehmensentwicklung oder Tourismus),
  • Bezirks- und Kommunalpolitik,
  • eine Vielzahl von Non-Profit-Organisationen und Wirtschaftsverbänden,
  • verschiedene Arten von Unternehmen,
  • Forschungs- und Bildungseinrichtungen,
  • öffentliche und private Akteure aus Land-, Forst- und Naturschutz.
Erfolgsfaktoren und Hemmnisse

Die Umsetzung kollaborativer und multidisziplinärer Klimaanpassungsprozesse bietet viele Vorteile, geht aber auch mit einem gewissen Zeit- und Aufwand einher. Während des gesamten Projekts wurden mehrere mögliche Treiber und Barrieren identifiziert.

Barrieren

  • Die kollaborative Entwicklung eines integrierten, aber auch detaillierten Klimaanpassungskonzepts war zeitaufwändig und verlangte Zeit der Teilnehmer. Da solche Prozesse jedoch stark vom Wissen und der Beteiligung der verschiedenen Akteure abhängen, war es entscheidend, die Motivation der Teilnehmer hoch zu halten. Dies war nicht immer möglich, sondern konnte durch einen persönlichen Ansatz unterstützt werden, mit dem Fokus auf die Hervorhebung der individuellen und gesellschaftlichen Vorteile der Teilnahme.
  • Nach Ansicht der Teilnehmer hatte die Zusammenarbeit durch Online-Meetings und gemeinsame Arbeitsplattformen einige Nachteile, z. B. den Verlust des persönlichen Austauschs. Allerdings wurden diese Nachteile nach Ansicht vieler Teilnehmer durch Vorteile kompensiert, z. B. durch Zeitersparnis durch den Wegfall von Reisebemühungen oder die Möglichkeit, Zwischenergebnisse zwischen zwei Workshops über kollaborative Online-Plattformen zu kommentieren. Bei der Implementierung von Online-Formaten wurden die unterschiedlichen Fähigkeiten der Teilnehmer berücksichtigt und der Zugang so einfach wie möglich gestaltet.
  • Unterschiedliche Ziele, Meinungen und Ideen können zu Konflikten führen, auch bei der Anpassung an den Klimawandel. Um dies zu vermeiden, begannen die regionalen Prozesse mit der Definition gemeinsamer Ziele. Verschiedene Ansichten wurden während des Prozesses immer diskutiert, um eine gemeinsame Lösung zu finden.
  • Nicht alle relevanten Teilnehmer konnten immer für den Prozess rekrutiert werden, was manchmal zu Wissenslücken führte, die konkretere Diskussionen, z. B. über die Umsetzung von Maßnahmen, verhinderten. Kompensiert wurde dies durch eine gezielte Beteiligung relevanter Akteure parallel zu den Workshops.
  • Für einige Teilnehmer und Themen gab es begrenzte Handlungsoptionen auf regionaler/lokaler Ebene, beispielsweise für Agrarunternehmen, die hauptsächlich von der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU dominiert werden. Diese Akteure sahen keine Möglichkeiten, ihre Entscheidungen in einen regionalen oder kommunalen Fahrplan zu integrieren. Die Vermittlung dieser spezifischen Bedürfnisse an die Länder-, Bundes- und EU-Ebene wäre unabdingbar, um den regionalen und lokalen Anpassungsbedarf für diese Sektoren zu decken.

 

Erfolgsfaktoren

  • Bereits bestehende Netzwerke (z. B. aus nachhaltiger Entwicklung) und Anpassungsbemühungen waren ein großer Vorteil. Die Verknüpfung des Prozesses an etablierte Governance-Strukturen und -Projekte sorgte nicht nur für Konsistenz, sondern ermöglichte es auch, das vorhandene Know-how bestmöglich zu nutzen.
  • Da kollaborative Prozesse stark von der aktiven Beteiligung der verschiedenen Akteure abhängen, ist ein hohes Maß an Motivation von großem Wert. Dies gilt insbesondere für Personen mit relevanten Aufgaben, Verantwortlichkeiten oder persönlichen Netzwerken. Diese potentiellen „Multiplikatoren“ des Wissens wurden aktiv angesprochen (z. B. indem sie persönlich angesprochen wurden) und im Anpassungsprozess so eng wie möglich gehalten.
  • Die zunehmende Relevanz des Themas Klimawandelanpassung in Politik und Gesellschaft war ein wichtiger Treiber. In den letzten Jahren ist die Aufmerksamkeit für Klimaschutz- und Anpassungsfragen spürbar gestiegen. Die Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands im Sommer 2021 etwa hat dem Thema Starkregenprävention in diesen regionalen Prozessen besondere Bedeutung beigemessen. Solche Ereignisse können genutzt werden, um bestehende Strukturen und Prozesse kritisch zu untersuchen und das Bewusstsein zwischen verschiedenen Gruppen zu schärfen (ohne alarmistisch zu werden).
  • Die Konzeption und Durchführung der Workshops „auf Augenhöhe“, d. h. die Zusammenarbeit aller Beteiligten auf gleicher Ebene, führte zu einer erhöhten Motivation und zur (zumindest vorübergehenden) Aussetzung bestehender Konflikte.
  • Um ihre unabhängige und kontinuierliche Nutzung über das Projekt hinaus zu gewährleisten, wurden die Bereitstellung der Klimafolgenanalyse und ein praktisches Monitoring-System für jeden Bezirk so praktisch und zugänglich wie möglich konzipiert. Diese Dienste wurden in enger Zusammenarbeit mit den Praktizierenden entwickelt.
  • Politische Unterstützung spielte auch eine wichtige Rolle bei den Anpassungsprozessen, die durch das Projekt „Evolving Regions“ ausgelöst wurden. Roadmaps wurden offiziell von den Bezirksräten, der höchsten politischen Ebene der nordrhein-westfälischen Kreise, verabschiedet. Durch die Bereitstellung der Projektförderung und die Sicherstellung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Umweltamt (LANUV) und anderen relevanten Akteuren im Land NRW (z. B. der staatlichen Landesbank NRW, NRW.BANK) hat das Projekt auch in der Landespolitik und Unterstützung durch die Landesregierung Aufmerksamkeit erhalten.

Schließlich wurde das während des Projekts gewonnene Wissen an andere Regionen in Deutschland sowie an andere Regionen in Europa und Akteure weitergegeben, vor allem durch die Verbreitung von Berichten und die Organisation verschiedener Veranstaltungen und Beiträge auf internationalen Konferenzen. Es wurden Schulungen für Berater und Mitarbeiter anderer Bezirksverwaltungen organisiert, um sie auf das Roadmapping-Konzept des Projekts Evolving Region aufmerksam zu machen und in ihrem Verantwortungsbereich anzuwenden. Diese Kurse wurden gemeinsam vom Sozialen Forschungszentrum der TU Dortmund, difu und dem Bildungszentrum für die Ver- und Entsorgungswirtschaft gGmbH (BEW) durchgeführt.

Gemeinsam mit Stakeholdern aus der niederländischen Region West-Overijssel/Ijssel Vechtdelta und der Universität Twente in Enschede wurden in Austauschrunden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Ansätze diskutiert, um geeignete politische Empfehlungen abgeben zu können.

Kosten und Nutzen

Kosten

Da sich das Projekt eher auf die gemeinsame Entwicklung als auf die Umsetzung konkreter Maßnahmen konzentrierte, wurden die finanziellen Mittel des Projekts (Gesamtbudget von 2,9 Mio. EUR), die aus dem EU LIFE-Programm und dem Land NRW stammten, für die Umsetzung der Projektkomponenten verwendet. Die Bezirke mussten jeweils 1 000 EUR beitragen, um Teil des LIFE-Projekts zu sein.

Darüber hinaus wurden in fast allen Bezirken Eigenmittel für die Einrichtung und Aufrechterhaltung der neuen Personalpositionen der zunächst durch das Projekt finanzierten „Förderer“ zur Anpassung an den Klimawandel bereitgestellt.

Akteure, die an der Umsetzung eines Anpassungsprozesses nach der Evolving Roadmapping-Methode interessiert sind, sollten Kosten für die Einrichtung einer Koordinierungsstelle, die Durchführung eines umfassenden Dialogprozesses, die Erstellung einer Klimafolgenanalyse sowie möglicherweise weitere externe Expertise und Dienstleistungen (z. B. zur Projektüberwachung) erwarten. Im Projekt wurden diese Kosten weitgehend für die teilnehmenden Regionen gedeckt.

Vorteile

Bezirke und Gemeinden könnten bei der Einführung und Umsetzung der Evolving Roadmapping-Methode mehrere Vorteile ziehen.

Durch die Umsetzung integrierter, kollaborativer Klimaanpassungsprozesse im Projekt Evolving Regions konnten die sieben teilnehmenden Bezirke aktiv die Folgen des Klimawandels angehen. Darüber hinaus könnten regionale Akteure in den Genuss einschlägiger Unterstützungsleistungen kommen, die im Rahmen des Projekts erbracht wurden. Die detaillierte bezirksweite Klimafolgenanalyse ermöglichte es den regionalen Akteuren, die konkreten Auswirkungen des Klimawandels zu verstehen und die am stärksten betroffenen Gebiete und Sektoren zu identifizieren. Das praxisorientierte Monitoringkonzept bietet einen einfach zu bedienenden Ansatz, um die Auswirkungen einer Maßnahme vor ihrer Umsetzung zu bewerten. Dazu wurden Wirkungsketten im Sinne von Interventionslogiken entwickelt, die die positiven (und negativen) Auswirkungen einer Maßnahme veranschaulichen. Diese wurden mit Indikatoren verknüpft, mit denen die im Fahrplan aufgeführten Maßnahmen überwacht und bewertet werden können.

Diese Dienste und das etablierte Netzwerk ermöglichten es den regionalen Akteuren, das Thema Klimaanpassung in ihre tägliche Arbeit zu integrieren und die initiierten Bemühungen selbstständig fortzusetzen. Dieser Kapazitätsaufbau ist ein elementares Ziel der Weiterentwicklung der Roadmapping-Methode. In vielen Distrikten wird das Netzwerk von Akteuren, die während des Prozesses geschaffen wurden, wahrscheinlich über das Projekt hinaus genutzt werden, da die Nachfrage nach der Fortführung der geschaffenen Netzwerke von den Teilnehmern in allen Bezirken zum Ausdruck gebracht wurde. In einigen Bezirken, z. B. in Minden-Lübbecke, wurde das Projektnetzwerk in eine neu gegründete Arbeitsgruppe zur Anpassung an den Klimawandel übertragen, die sich regelmäßig trifft. Aufgrund der positiven Ergebnisse und Erfahrungen mit dem Einsatz eines neuen Projekts wurden sechs von sieben projektfinanzierten Personalpositionen zur Koordinierung der Klimaanpassung (der sogenannte „Regionalförderer“) von den Bezirken nach Projektende dauerhaft etabliert.

Darüber hinaus bildet die Entwicklung eines integrierten Planungsdokuments, das von regionalen Akteuren vereinbart wurde, die Grundlage für die künftige Klimaanpassung in den Regionen.

Insgesamt konnten die Prozesse einige zentrale Herausforderungen im Zusammenhang mit der Anpassung an den Klimawandel direkt angehen. Die Klimafolgenanalyse verringerte die Unsicherheiten über bestehende und erwartete Auswirkungen des Klimawandels, und die Dialogprozesse ermöglichten es den einschlägigen Akteuren, über thematische und administrative Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Auf dieser Grundlage können zukünftige Klimaanpassungsmaßnahmen koordiniert oder enger kombiniert und Ressourcen gezielter genutzt werden.

Schließlich ermöglichte der integrative und kollaborative Ansatz des Evolving Roadmapping, gemeinsam an verschiedenen Themen zu arbeiten und so mögliche Konflikte, aber auch Synergien von Anfang an zu berücksichtigen.

Durch die Schaffung einer Basis für eine aktive integrierte und kollaborative Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels trug das Projekt Evolving Regions zu den Zielen des europäischen Grünen Deals und den Zielen der EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel bei und befasste sich gleichzeitig mit den Prioritäten der (nationalen) Deutschen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel (DAS) (BMUV2020) und der des Landes NRW (MKULNV2015). Im ersten Klimaanpassungsgesetz von 2021 hat das Land NRW seine Ziele für die Klimaanpassung definiert. Darin heißt es: „Die negativen Auswirkungen des Klimawandels sollen von den zuständigen Behörden durch die Entwicklung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen begrenzt werden, die für jedes Handlungsfeld spezifisch und auf die jeweilige Region zugeschnitten sind“ (§ 3 Abs. 1 Klimaanpassungsgesetz NRW, eigene Übersetzung, NRW 2021). Das Gesetz betont die Rolle der Behörden bei der aktiven Durchführung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und verpflichtet sie, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Klimaanpassungsbedenken zu berücksichtigen.  Mit der Unterstützung dieses LIFE-Projekts beabsichtigte die Landesregierung NRW, Kommunen und Landkreisen in NRW einen bewährten Praxisansatz und Anregungen zur Umsetzung des Anpassungsgesetzes zu geben.

Umsetzungszeitraum

Die Laufzeit des Projekts Evolving Regions war 2019-2023.

Die regionalen Prozesse dauerten jeweils etwa anderthalb Jahre, einschließlich der Vorbereitung, des Dialogs und der Arbeitsphase sowie der politischen Entscheidungsfindung.

Lebensdauer

Es wird erwartet, dass die Projektergebnisse langfristige oder dauerhafte Veränderungen in den Governance-Rahmen der Bezirke durch die Schaffung neuer spezieller Mitarbeiterpositionen und die Initiierung von Netzwerkstrukturen und Partizipationsprozessen bewirken. Es wird erwartet, dass die Umsetzung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel langfristig möglich ist.

Referenzinformationen

Kontakt

Ministry of the Environment, Nature and Transport of the State of North Rhine-Westphalia

 

Dr.-Ing. Kathrin Prenger-Berninghoff

Referat VIII B 2 Anpassung an den Klimawandel,

Koordinierung Klimaschutz

Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes NRW

E-Mail:  kathrin.prenger-berninghoff@munv.nrw.de

 

Interactive Climate Atlas (Klimaatlas NRW)

Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV)

Fachbereich 37: Klimaschutz, Klimawandel Koordinierungsstelle

Email: klimaatlas@lanuv.nrw.de 

 

Direct information on the implementation of the Evolving roadmapping approach

Jürgen Schultze

Social Research Centre (sfs)

TU Dortmund University/ Department of Social Sciences (sfs)

Email: juergen.schultze@tu-dortmund.de 

Veröffentlicht in Climate-ADAPT Oct 06 2023   -   Zuletzt aktualisiert in Climate-ADAPT Apr 18 2024


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