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© Malteser Flood Aid
Ein interkommunales Traumazentrum bietet Bürgern und Rettungskräften in der Region Schleiden kostenlose kurz- bis langfristige psychosoziale Unterstützung, um die psychischen Auswirkungen von Starkregen- und Überschwemmungsereignissen zu reduzieren.
Starke Regenfälle und Überschwemmungen trafen im Juli 2021 Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, Deutschland, und trafen Tausende von Menschen in der Region und darüber hinaus. Mit dem Klimawandel werden extreme Ereignisse wie starke Regenfälle und daraus resultierende Überschwemmungen voraussichtlich an Häufigkeit und Schwere zunehmen. Um die von den schweren Regenfällen und Überschwemmungen im Juli 2021 betroffenen Menschen zu unterstützen, wurden in der Region Schleiden nahe der Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz verschiedene Hilfsmaßnahmen umgesetzt. Ein wichtiges Element dieser Bemühungen bestand darin, akute, mittel- und langfristige psychosoziale Unterstützung anzubieten, um die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit für die von Überschwemmungen betroffenen Personen, einschließlich lokaler Bürger und Rettungskräfte, zu verringern und die Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaft zu stärken. Kurz nach den Überschwemmungen wurde ein interkommunales Traumazentrum eingerichtet, das 2024 noch in Betrieb ist und psychosoziale Unterstützung in Form von kostenloser psychologischer Beratung, Psychotherapie und Traumaversorgung bietet.
Beschreibung der Fallstudie
Herausforderungen
Der Klimawandel treibt Perioden mit immer intensiveren Niederschlägen in ganz Europa voran. Extreme Niederschlagsereignisse führen oft zu Überschwemmungen, insbesondere wenn Dürreperioden vorausgehen, die die Infiltrationskapazität der Böden verringern. Im Juli 2021 führten intensive Niederschläge zu verheerenden Überschwemmungen in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, bei denen 184 Menschen ums Leben kamen. Der Klimawandel hat die Wahrscheinlichkeit der rekordverdächtigen Niederschlagsmenge in Westeuropa, die zu den Überschwemmungen führte, erheblich erhöht (Tradowskyet al., 2023).
Abgesehen von körperlichen Verletzungen, Infrastrukturschäden und wirtschaftlichen Verlusten können Überschwemmungen sowohl unmittelbar nach einem Ereignis als auch langfristig psychosoziale Probleme wie psychische Belastungen, Traumata, Angstzustände, Schlaflosigkeit, Depressionen und soziale Dysfunktion auslösen (Foudiet al., 2017). Die Schwere psychischer Probleme ist proportional zum Ausmaß und der Geschwindigkeit des Überschwemmungsereignisses und wird auch von Faktoren wie dem Ausmaß und der Nähe von Verlusten und Schäden, dem Ausmaß der Störung des Alltags sowie dem Ausmaß der erhaltenen sozialen Unterstützung und ihrem sozioökonomischen Status beeinflusst (Fernandezet al., 2015).
Von 1998 bis 2017 waren schätzungsweise 20 Millionen Menschen in Europa von Überschwemmungen betroffen. Von den Betroffenen gaben zwischen 9 und 53% der Menschen an, dauerhafte psychische Herausforderungen zu haben. Die Kosten für psychische Gesundheitsprobleme aufgrund von Überschwemmungen in Europa zwischen 1998 und 2017 wurden auf 0,2 bis 1,23 Mrd. EUR geschätzt (Jacksonund Devadason, 2019). Bis 2100 wird bei einem Szenario eines hohen Meeresspiegelanstiegs und ohne Anpassungsmaßnahmen davon ausgegangen, dass allein aufgrund von Küstenüberschwemmungen weitere 5 Millionen Fälle von leichter Depression auftreten werden (Bosello et al., 2012).
Politischer Kontext der Anpassungsmaßnahme
Case mainly developed and implemented because of other policy objectives, but with significant consideration of climate change adaptation aspects.
Ziele der Anpassungsmaßnahme
Ziel des interkommunalen Traumazentrums für psychosoziale Hilfe ist es, die psychosozialen Auswirkungen von Überschwemmungen in Gemeinden in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus zu reduzieren.
In diesem Fall implementierte Anpassungsoptionen
Lösungen
Unmittelbar nach dem Hochwasser im Juli 2021 richtete die Stadt Schleiden zusammen mit mehreren Partnern (d. h. dem Landkreis Euskirchen und verschiedenen Wohltätigkeits- und Hilfsorganisationen) ein Zentrum für psychosoziales Krisenmanagement ein. Innerhalb weniger Tage wurden mehrere Maßnahmen umgesetzt, um betroffene Bürger und Notdienste in den Gemeinden Kall, Hellenthal und Schleiden in der Region Schleiden zu unterstützen. Diese Maßnahmen umfassten:
- ein Koordinierungszentrum für kurz-, mittel- und langfristige psychosoziale Betreuung, das die betroffenen Bürger und Notdienste bei der Bewältigung von Katastrophen begleitet und unterstützt;
- Eine umfassende Informationskampagne über verfügbare psychosoziale Hilfe (über Presseartikel, Informationsabende, Mund-zu-Mund-Informationen usw.). Soziale Öffentlichkeitsarbeit wurde durchgeführt, um diejenigen zu identifizieren, die Unterstützung benötigen, und sie mit den entsprechenden Diensten zu verbinden;
- vielfältige Beratungs- und Therapieangebote (z. B. Trauer- und Verlustberatung, allgemeine psychologische Beratung, Traumatherapie, Langzeitpsychotherapie), einschließlich spezialisierter Unterstützung für bestimmte demografische Gruppen (z. B. Kinder und Jugendliche);
- Eine Vortragsreihe zu relevanten Themen wie Traumamanagement, Stressmanagement und Resilienz, Trauer- und Verlustbewältigungsstrategien.
Konkret wurde kurz-, mittel- und langfristig folgende Unterstützung angeboten:
Kurzfristige Unterstützung
Psychosoziale Notfallversorgung wurde unmittelbar nach den Überschwemmungen angeboten. Von den Überschwemmungen betroffene Bürger, einschließlich derjenigen, die (nahezu) Todeserfahrungen erlebt oder erlebt haben, unter Schuldgefühlen, Angstzuständen und Depressionen oder Verlusten von Überlebenden gelitten haben, hatten Anspruch auf psychosoziale Unterstützung. Um den Bedarf an Unterstützung zu verstehen und die strategische Planung zu verbessern, wurde eine erste Bewertung durchgeführt, wie sich das Hochwasserereignis auf die Gemeinde auswirkte.
Darüber hinaus wurde den Rettungskräften, die an der Flutreaktion beteiligt waren, psychologische Unterstützung angeboten. Es wurden Anstrengungen unternommen, um die am stärksten gefährdeten Rettungskräfte zu identifizieren und ihren Bedarf an psychologischer Unterstützung während der Katastrophe zu bewerten.
14 Tage nach den Überschwemmungen fanden ca. 1500 Gespräche statt und es wurden folgende Maßnahmen ergriffen:
- Hotline für unterstützungsbedürftige Personen, die nicht physisch teilnehmen wollten oder konnten;
- Anwesenheit von Pflegekräften an Lebensmittelverteilungsstellen und aktive Identifizierung von Personen, die soziale Dienstleistungen benötigen (sogenannte niederschwellige Sozialarbeit);
- Konsultationen an einem sicheren Ort für Bürger und Rettungskräfte;
- Kontinuierliche Neubewertung der psychosozialen Situation (durch Outreach-Interviews) und Anpassung der Unterstützung.
Mittelfristige Unterstützung
Um auch zwei Wochen nach der Flut weiterhin Menschen mit dauerhaften psychischen Auswirkungen zu unterstützen, richtete der Stadtrat von Schleiden ein Beratungs- und Koordinationszentrum ein. Das Zentrum sollte ursprünglich für 2 Monate in Betrieb sein, sollte aber bei Bedarf um 6 Monate verlängert werden. Das Zentrum zielte darauf ab, die akute psychosoziale Notfallversorgung fortzusetzen und gleichzeitig eine niederschwellige psychologische Beratung für Menschen in der Region einzuführen, die noch von dem stressigen Hochwasserereignis betroffen waren.
Langfristige Unterstützung
Nach dem Erfolg der mittelfristigen psychosozialen Unterstützung leistet das Schleidental-Hilfszentrum bis Ende 2024 weiterhin langfristige Unterstützung. Mehrere interdisziplinäre Fachkräfte bieten ein breites Spektrum an Beratungsleistungen für von den Überschwemmungen betroffene Bürger und betroffene Einsatzkräfte an.
Zusätzliche Details
Beteiligung der Stakeholder
Die Stadt Schleiden entwickelte und implementierte den Unterstützungsrahmen zusammen mit mehreren gemeinnützigen Organisationen, die an der Entwicklung jeder Phase des psychologischen Unterstützungsdienstes beteiligt waren. Die Organisationen haben Erfahrung in der Unterstützung der lokalen Bevölkerung nach traumatischen Ereignissen. Dazu gehören:
- Malteser, eine katholische Hilfsorganisation, die weltweit in Notsituationen tätig ist;
- Caritas, eine katholische Hilfs-, Entwicklungs- und Sozialorganisation;
- Diakonie, eine protestantische Wohlfahrtsorganisation;
- Arbeiterwohlfahrt, ein Wohlfahrtsverband.
Nach dem Gewinn einer Ausschreibung im Dezember 2021 leistet Malteser weiterhin institutionelle psychosoziale Unterstützung im Schleidental-Hilfszentrum (HIZ).
Spezialisiertes Personal ist eines der wichtigsten Elemente der Intervention. Das Personal umfasst eine Mischung aus Einzelpersonen aus den beteiligten Partnerorganisationen und Experten, darunter Ärzte, Psychologen, Soziologen, Therapeuten, psychologische Psychotherapeuten, Katastrophenmanagement- und Risiko-Governance-Experten, Sanitäter, Notfallberater und Sozialwissenschaftler. Diese Spezialisten vernetzten sich intensiv untereinander, um einen ganzheitlichen Support-Ansatz zu entwickeln.
Erfolgsfaktoren und limitierende Faktoren
Die folgenden Faktoren ermöglichten die erfolgreiche Entwicklung eines interkommunalen Traumazentrums und die Bereitstellung von Unterstützung für die psychische Gesundheit:
- Unterstützung der politischen Führung, die ein sofortiges Eingreifen durch einen schnellen Zugang zu Finanzmitteln ermöglichte;
- Frühzeitige Konsultation und Zusammenarbeit mit den Partnerorganisationen (innerhalb von 2 Tagen nach der Katastrophe);
- Erfahrene Spezialisten in einem multidisziplinären Team, auch in Krisensituationen;
- Häufige Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen Spezialisten und Support-Mitarbeitern;
- Gute Unterstützung von Freiwilligen, die die Bedürfnisse der Gemeinschaft durch persönliche Besuche ermittelt haben.
Eine laufende Evaluierung der Intervention zielt darauf ab, alle begünstigenden und behindernden Faktoren zu identifizieren.
Kosten und Nutzen
Die Hauptfinanzierungsquelle der Intervention ist die Aktion Deutschland Hilft, die deutsche Hilfskoalition, die NROs für die Krisenhilfe finanziell unterstützt. Aus diesem Fonds gingen 920 000 EUR an das interkommunale Traumazentrum, um psychosoziale Unterstützung zu leisten. Aus dem Haushalt wurden hauptsächlich Personalkosten und eine Reihe von Großveranstaltungen wie „Familientage“ finanziert, die sich an Kinder und Familien richteten, um den betroffenen Kindern und ihren Familien kostenlose Unterhaltung und Unterstützung zu bieten.
Diese Intervention erhöhte die Widerstandsfähigkeit des Einzelnen und der Gemeinschaft gegenüber Stress, der durch extreme Ereignisse wie Überschwemmungen verursacht wurde, und verringerte so die Wahrscheinlichkeit, dass schlechte psychische Gesundheitsergebnisse und die damit verbundenen gesellschaftlichen Kosten auftreten.
Eine laufende Evaluation durch das Medizinische Kompetenzzentrum Hamburg zielt darauf ab, die Wirksamkeit der Intervention zu bewerten und Schlussfolgerungen für zukünftige Konzepte in derselben oder anderen Regionen zu ziehen.
Rechtliche Aspekte
Das Traumazentrum ist ein interkommunales Projekt, das auf einer interkommunalen Vereinbarung zwischen den Gemeinden Schleiden, Kall und Hellenthal basiert. Anhand einer Ausschreibung wurde entschieden, welche Hilfsorganisation langfristig weiterhin institutionelle psychosoziale Unterstützung leisten wird.
Implementierungszeit
Die Unterstützung begann zwei Tage nach dem zweitägigen Hochwasserereignis im Juli 2021. Die langfristige psychosoziale Unterstützung wird bis heute über das interkommunale Traumazentrum fortgesetzt, das bis Dezember 2024 geöffnet bleiben soll.
Lebensdauer
Juli 2021 bis Dezember 2024, mit Verlängerungspotenzial in Schleiden, sofern Fördermittel zur Verfügung stehen
Das entwickelte nachhaltige Modell und der Rahmen können im Falle extremer Überschwemmungen jederzeit in der Zukunft an anderer Stelle repliziert werden.
Referenzinformationen
Kontakt
Frank C. Waldschmidt
Malteser Hilfsdienst e.V.
Specialist advisor for psychosocial support for Flood Aid NRW
frank.waldschmidt@malteser.org
Websites
Referenzen
Bosello, F., et al., 2012, Wirtschaftliche Auswirkungen des Klimawandels in Europa: Meeresspiegelanstieg, Klimaänderung 112(1), 63-81. https://doi.org/10.1007/s10584-011-0340-1
Fernandez, A., et al., 2015, Überschwemmung und psychische Gesundheit: Eine systematische Kartierungsprüfung, PLoS ONE 10(4). https://doi.org/10.1371/journal.pone.0119929
Foudi, S., et al., 2017, Die Auswirkungen von Überschwemmungen auf die psychische Gesundheit: Erfahrungen für den Aufbau von Resilienz, Wasserressourcenforschung 53 (7), 5831-5844. https://doi.org/10.1002/2017WR020435
Jackson, L. und Devadason, C. A., 2019, Climate Change, Flooding and Mental Health, Sekretariat des Rockefeller Foundation Economic Council on Planetary Health. Abrufbar unter https://www.planetaryhealth.ox.ac.uk/wp-content/uploads/sites/7/2019/04/Climate-Change-Flooding-and-Mental-Health-2019.pdf
Tradowsky, J. S., et al., 2023, Namensnennung der Starkregenereignisse, die zu schweren Überschwemmungen in Westeuropa im Juli 2021 führen, Klimaänderung 176(7), 90. https://doi.org/10.1007/s10584-023-03502-7
Veröffentlicht in Climate-ADAPT: Apr 30, 2024
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