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Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Schienenverkehrs gegenüber alpinen Gefahren in Österreich

© ÖBB Infra AG

Zur Minderung alpiner Gefahren und klimabedingter Risiken setzt die Österreichische Bundesbahn bauliche Schutzmaßnahmen um und betreibt ein Wetterüberwachungssystem. Dies gewährleistet sowohl die Sicherheit der Fahrgäste als auch die Kontinuität des Dienstes.

Das Schienenverkehrssystem des Alpenlandes Österreich spielt eine wichtige Rolle im europäischen Personen- und Gütertransit. Darüber hinaus ist das österreichische Eisenbahnnetz für die Erreichbarkeit alpiner Seitentäler unabdingbar und damit von entscheidender Bedeutung für deren wirtschaftliches und gesellschaftliches Wohlergehen. Wenn Verkehrsnetze (vorübergehend) gestört sind, gibt es selten alternative Transportmöglichkeiten. Aufgrund der alpinen Topographie und des begrenzten Platzangebots folgen Bahnstrecken oft Auen und liegen an steilen und instabilen Hängen. Dadurch sind sie erheblichen Überschwemmungen und insbesondere alpinen Gefahren wie Trümmerströmen, Felsstürzen, Lawinen oder Erdrutschen ausgesetzt. Diese Ereignisse können erhebliche Schäden an der Eisenbahninfrastruktur verursachen, die Sicherheit der Fahrgäste gefährden und sind daher für die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB Infra AG) ein großes Problem. In Zukunft könnte das Risiko durch alpine Gefahren aufgrund des Klimawandels erheblich zunehmen. Zur Bewältigung aktueller und zukünftiger Risiken aus klimabedingten Gefahren setzt die ÖBB Infra AG eine Kombination aus baulichen Schutzmaßnahmen und einem bahnspezifischen Wetterüberwachungs- und Frühwarnsystem ein.

Beschreibung der Fallstudie

Herausforderungen

Die raue Gebirgslandschaft der Ostalpen, in der rund 65 % des österreichischen Staatsgebiets liegen, stellt eine besondere Herausforderung für die Planung und das Management des Schienenverkehrs dar. Relief und steile Hänge begrenzen den Raum, der für dauerhafte Siedlungen und Infrastrukturen genutzt werden kann. Bahnstrecken folgen daher häufig Auen oder liegen an steilen, instabilen Hängen, was sie erheblich Überschwemmungen und insbesondere alpinen Gefahren aussetzt, z.B. Trümmerströme, Felsstürze, Lawinen oder Erdrutsche. Infolgedessen wurden Eisenbahninfrastruktur und -betrieb wiederholt von alpinen Gefahren beeinträchtigt. So entgleisen am 11.August 1995 mehrere Reisebusse eines Intercity-Zugs am Masonbach (Vorarlberg) nach einem Trümmerflussereignis, das eine Brücke zerstört hatte. Drei Menschen kamen ums Leben, 17 Menschen wurden schwer verletzt und die Strecke musste fast eine Woche lang gesperrt werden. Auch im Juni 2013 verursachten Überschwemmungen und Trümmerströme erhebliche Schäden an der Eisenbahninfrastruktur. Der nationale Bahnbetreiber ÖBB Infra AG verzeichnete Verluste in Höhe von rund 75 Millionen Euro an seinem Schienennetz.

Die meisten alpinen Gefahren werden durch extreme/schwere (Hydro-) meteorologische Bedingungen wie starke Niederschläge, schnelle Schneeschmelze oder extreme Temperaturen ausgelöst. In Zukunft könnte das Risiko durch alpine Gefahren aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels deutlich zunehmen. So könnte beispielsweise die Zahl der sehr starken Niederschläge in den Alpengebieten um 36 % und im Tiefland des Landes um 70 % zunehmen (zwischen dem Bezugszeitraum 1961–1990 und dem Prognosezeitraum 2011–2040; Kellermann et al. 2016).

Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB Infra AG) haben gemeinsam mit Partnern aus Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft und Regierung den anspruchsvollen Auftrag, Risiken zu bewerten, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen und den sicheren und kontinuierlichen Betrieb des Netzes zu gewährleisten. Eine Strategie zur Risikominderung ist die Umsetzung struktureller Schutzmaßnahmen wie Deiche und Böschungen. In diesem Zusammenhang stellt die Priorisierung von Maßnahmen und Fragen der Kostenteilung mit anderen staatlichen Akteuren eine Herausforderung dar. Gleichzeitig ist die Umsetzung von baulichen Maßnahmen gegen alpine Gefährdungen in Österreich mit seinen rund 5.000 Wildbächen und 3.800 Lawinenwegen sowohl aus wirtschaftlichen Gründen als auch unter natur- und landschaftsschutzrechtlichen Gesichtspunkten oft nicht realisierbar. Da die technischen Maßnahmen daher begrenzt sind, um ein angemessenes Sicherheitsniveau für den Eisenbahnbetrieb in der alpinen Topographie zu gewährleisten, besteht ein starker Bedarf an zusätzlichen (nicht strukturellen) Maßnahmen zur Risikominderung, wie Wetterüberwachung und Frühwarnung.

Politischer Kontext der Anpassungsmaßnahme

Case mainly developed and implemented because of other policy objectives, but with significant consideration of climate change adaptation aspects.

Ziele der Anpassungsmaßnahme

Meteorologische Extremereignisse stellen ein großes Risiko für die Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheit der Fahrgäste dar. Der Klimawandel wird in Zukunft voraussichtlich schwerwiegende Auswirkungen auf die meteorologischen Gefahren im Alpenraum haben. Um direkte Schäden an der Eisenbahninfrastruktur zu minimieren, werden bauliche Schutzmaßnahmen von der ÖBB Infra AG gemeinsam mit ihren Partnern dort umgesetzt, wo dies wirtschaftlich, technisch und ökologisch machbar ist. Doch gerade im alpinen Umfeld ist ein voller Schutz nicht möglich und das Risikoprofil ändert sich durch den Klimawandel kontinuierlich. Um den sicheren und kontinuierlichen Betrieb des Netzes und die Sicherheit der Fahrgäste zu gewährleisten, wurde ein ergänzendes Wetterüberwachungs- und Frühwarnsystem installiert.

Lösungen

Die ÖBB Infra AG verfolgt im Wesentlichen zwei sich ergänzende Risikomanagementstrategien. Einerseits wird das Risiko alpiner Gefahren durch bauliche Schutzmaßnahmen reduziert. Die ÖBB Infra AG ist vor allem für den Bau und die Instandhaltung von Schutzmaßnahmen wie Deiche oder Schuppen zuständig. In den meisten Fällen müssen diese Maßnahmen auch finanziert werden. Wenn die geplanten Maßnahmen jedoch auch Siedlungen oder andere Infrastrukturelemente wie Straßen oder Energieversorgung schützen, erfolgt die Zusammenarbeit mit anderen staatlichen und regionalen Behörden oder Gemeinden und das Schutzsystem kann im Rahmen des Wasserbauförderungsgesetzes (WBFG [1985] 2014) subventioniert werden.

Auf der anderen Seite wird das Risiko durch alpine Gefahren reduziert, indem die Bereitschaft für die Reaktion und das Notfallmanagement verbessert wird. Ein zentrales Element der Risikominderungsstrategie der ÖBB ist das Wetterüberwachungs- und Frühwarnsystem infra:wetter, das gemeinsam von den ÖBB und dem privaten Wetterdienst UBIMET GmbH betrieben wird. Dieses interaktive Webportal, das den ÖBB-Mitarbeitern zur Verfügung steht, kombiniert Daten von eigenen und externen Wetterstationen der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik), Radaren, Satelliten sowie lokalen und globalen Wetterprojektionen mit detaillierten Informationen über das gesamte Eisenbahnnetz in Österreich. Es bietet eine Berechnung wichtiger meteorologischer Parameter wie Temperatur, Windgeschwindigkeit, Niederschlag, Schneefall und die Schneegrenze auf lokaler Ebene.

Neben individualisierten und routenspezifischen Warnungen an ca. 1.500 Nutzer wird infra:wetter auch zur Voraberkennung sogenannter kritischer meteorologischer Bedingungen (CMCs) eingesetzt: Witterungsverhältnisse, die möglicherweise zu größeren Störungen des Zugverkehrs führen und somit ein koordiniertes Handeln der Abteilung Naturgefahrenmanagement der ÖBB Infra AG erfordern. Wird ein kritischer meteorologischer Zustand mit ausreichender Vorwarnzeit festgestellt, wird eine Wetterwarnung ausgegeben und ein Verfahrensplan umgesetzt. Dies kann die Installation eines Inzidenzbefehls umfassen, der über betriebliche Sicherheitsvorkehrungen wie Geschwindigkeitsbegrenzungen, Gleissperrungen oder vorübergehende Minderungsmaßnahmen entscheidet. Wenn beispielsweise starker Schneefall vorhergesagt wird, können Maßnahmen wie eine überarbeitete Personalplanung und die Bereitstellung von Winterdiensten oder die Vorwärmung von Weichen ergriffen werden, um die Funktionsfähigkeit des Netzes zu gewährleisten. Das Vorhandensein eines funktionierenden Wetterüberwachungs- und Frühwarnsystems ist auch eine wirksame und flexible Risikomanagementlösung, um den prognostizierten Veränderungen der Häufigkeit und Intensität klimatischer Gefahren aufgrund des Klimawandels zu begegnen.

Zusätzliche Details

Beteiligung der Stakeholder

Um dem von Naturgefahren ausgehenden Risiko zu begegnen, stellt die ÖBB Infra AG relevante Ressourcen für das Naturgefahrenmanagement zur Verfügung und ist als Unternehmen für eigene Entscheidungen zugelassen. Aufgrund der komplexen Situation alpiner Gefahren kann ihr Management im Schienenverkehr in Österreich jedoch nicht allein von der ÖBB Infra AG abgewickelt werden, und strukturelle Risikominderungsmaßnahmen im Verkehrssektor müssen vielerorts an öffentlichen Risikomanagementstrategien ausgerichtet werden. Daher sind Partnerschaften und eine lebenswichtige Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Interessenträgern auf verschiedenen Verwaltungsebenen, d. h. von der lokalen bis zur nationalen Ebene, erforderlich.

Auf übergeordneter Ebene kooperiert die ÖBB Infra AG mit Bundesministerien bei strategischen Fragen wie Entscheidungen in Gesetzgebung und technischen Standards. Auf der Ebene der Maßnahmen zur strukturellen Risikominderung kooperiert die ÖBB Infra AG mit regionalen Behörden, Gemeinden und dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW). Bei nicht-strukturellen Maßnahmen arbeitet die ÖBB Infra AG mit der Privatwirtschaft, wissenschaftlichen Einrichtungen und regionalen Behörden zusammen, um das Wetterüberwachungs- und Frühwarnsystem zu betreiben und die Risikobewertungen zu verbessern.

Implementierungszeit

Der Bau von baulichen Schutzmaßnahmen kann bis zu mehreren Jahren in Anspruch nehmen. So errichteten die ÖBB nach dem Trümmerstromereignis am Taxenbach im Jahr 2013 eine strukturelle Trümmerstromsperre, die 2016 fertiggestellt wurde. Das Wetterüberwachungs- und Frühwarnsystem infra:wetter wurde 2005 gemeinsam von der ÖBB Infra AG und der UBIMET GmbH implementiert.

Lebensdauer

Strukturschutzmaßnahmen wie Deiche oder Murgangsperren haben in der Regel eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten. Das Wetterüberwachungs- und Frühwarnsystem infra:wetter ist eine permanente Aufgabe.

Referenzinformationen

Kontakt

Annegret Thieken
University of Potsdam
Institute of Earth and Environmental Science
Phone:+49 331 977 2984
E-mail: annegret.thieken@uni-potsdam.de

Referenzen

RP7-finanziertes ENHANCE-Projekt „Enhancing risk management partnerships for catastrophic natural hazards in Europe“ (Verbesserung von Risikomanagementpartnerschaften für katastrophale Naturgefahren in Europa)

Veröffentlicht in Climate-ADAPT: Nov 22, 2022

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